Ich bin eigentlich nur ein Durchgangsstadium.
Predigt für das Gustav Adolf-Fest in ENNS /Oberösterreich
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1. Petrus 3,8-15
Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt,
mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig.
Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort,
sondern segnet vielmehr,
weil ihr dazu berufen seid,
dass ihr den Segen ererbt.
Denn »wer das Leben lieben und gute Tage sehen will,
der hüte seine Zunge,
dass sie nichts Böses rede,
und seine Lippen, dass sie nicht betrügen.
Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes;
er suche Frieden und jage ihm nach.
Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten,
und seine Ohren hören auf ihr Gebet;
das Angesicht des Herrn aber steht wider die, die Böses tun« (Psalm 34,13-17).
Und wer ist’s, der euch schaden könnte,
wenn ihr dem Guten nacheifert?
Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen,
so seid ihr doch selig.
Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht;
heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen.
Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann,
der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.

PREDIGT

Endlich
Jedem Endlich geht etwas voraus – eine Erwartung…
Es war den Vorbereitungen zum Gustav-Adolf Fest viel Endlich in den vergangenen
Monaten Wochen und Tagen: endlich das Fest,
Es ist im Schuljahr viel Endlich:
für die SchulanfängerInnen im vergangenen Jahr:
Endlich darf ich in die Schule gehen.
Für die reiferen Schüler und Schülerinnen:
endlich ist die Stunde rum, endlich das Jahr geschafft, die Matura.
Das war immer sehr bewegend für mich,
den Sekundenzeiger vorrücken zu sehen
und manchmal die Hoffnung, dass es endlich vorüber sei.
Und dann war es auch endlich vorüber:
ein ganzer langer Tag und das lagen Warten,
bis der Vorsitzende endlich sagen würde:
Ihr habt die Matura bestanden…

Endlich ein Wort, das Erleichterung in sich beherbergt –
und wir können Gesichter sehen,
wie sie es sagen,
manchmal zeichnet ein Lächeln sich ein und entspannte Züge

Endlich
Jedem Endlich geht etwas voraus – eine Erwartung…
Im Krankenhaus das Warten, dass die OP doch endlich geschafft wäre…
In der Arbeit, dass sich endlich auszahlt, was ich da eingesetzt habe.
In der Welt, dass die Krise endlich aufhört, unser Lebensgefühl zu bestimmen
und dass ein geflüchteter Mensch sagne kann: hier bin ich endlich zu Hause …
In den Familien, dass endlich ein Streit beigelegt wird
oder eine Sucht endlich im Griff …

Oder bei mir, da war ich jung: Endlich darf ich predigen!
Oder die Musikerin: Endlich darf ich spielen
Oder der Arzt: Endlich kann ich meine Ordination eröffnen…
Endlich

Jedem Endlich geht etwas voraus – und dieses Vorausgehende,
um genau zu sein und es genau nachzufühlen,
bildet die Grundlage der Erwartung,
ohne sie gibt es dies nicht: Endlich.

Wir erkennen und erleben es,
wenn wir ganz bei uns selber sind als in Gott,
die Grundlage und ihre Kenntnis ist uns mit der Weisheit in unser Herz gelegt –
von hier aus gestaltet sich eine neue Werde- und Wertewelt.

Aus dieser Werde- und Wertewelt ist unser heutiges Predigtwort geschrieben.
Aus der Weisheit des Glaubens, die andere Schlüsse zieht als die Weltschlüsse –
und sie auch lebt,
wie der Schreiber des 1. Petrusbriefes.

Sein Leben war ein Sich wiegen in der Weisheit Gottes, ähnlich dem des Paulus.
Das sang alles in den jungen Christen –
die Weisheit,
ihr Lied und das Lied wurde wahr ‚
in all den wunderbaren Briefen und dem Werben allerwegen.

„Der HERR hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege,
ehe er etwas schuf, von Anbeginn her,“ singt die Weisheit (Sprüche 8) von sich.
„Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her,
im Anfang, ehe die Erde war.
Als die Meere noch nicht waren,
ward ich geboren,
als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen.

ich spielte auf seinem Erdkreis
und hatte meine Lust an den Menschenkindern.
So hört nun auf mich, meine Söhne!
Wohl denen, die meine Wege einhalten!
Hört die Mahnung und werdet weise
und schlagt sie nicht in den Wind!
Wohl dem Menschen, der mir gehorcht,
dass er wache an meiner Tür täglich,
dass er hüte die Pfosten meiner Tore!
Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom HERRN.“

Auf die Worte der Weisheit war ich zurück gekommen,
weil ich an das Buch „Der Klang“ denken musste,
da fand ich, was den Schreiber des Petrusbriefes so bewegt:
Er wusste sich auf
gutem Grund
als der Geträumte, der von Gott Geliebte,
der die Menschen seiner Zeit
zur Treue im Glauben rufen durfte, sollte, wollte, musste.

Gott als das wahre Leben in sich tragend,
gibt es gar keinen anderen Schluss als dies: Endlich.

„Wir sind eine geliebte und darum werdende Welt“,
schreibt Martin Schleske in seinem Buch „Der Klang“ und weiter:

„Die Liebe ist fähig, die Dinge nicht nur zu wollen, sondern sie wachsen zu lassen.
Die Liebe gibt Zeit, sie schenkt Zeit.“
Zeit und Verwandlung…

„Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt,
mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig.
Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort,
sondern segnet vielmehr,
weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt.“

So schön, so klar, so wahr.
Das ist unsre Berufung,
dieses Endlich zu leben nicht in meiner Kraft,
nicht aus mir, sondern aus einem Anderen,
durch einen Anderen,
das mein Ich erfüllt und ich werde weniger darin,
aber Gott ist in mir.

Nie bin ich so bei mir als in diesem Ander-Ich.
Ein Fragment aus einem Interview mit Anselm Kiefer sagt genauer was ich meine,
auch für Oberösterreich, Enns, seinen Rückblick, Ausblick, Weitblick:

„Ich denke in Bilden. Dabei helfen mir Gedichte. Sie sind wie Bojen im Meer.
Ich schwimme zu ihnen, von einer zu anderen;
dazwischen, ohne sie, bin ich verloren.
Sie sind die Haltepunkte,
wo sich in der unendlichen Weite etwas zusammenballt
aus dem interstellaren Staub,
ein bisschen Materie im Abgrund der Antimaterie.
Manchmal verdichten sich die Trümmer von Gewesenem
zu neuen Worten und Zusammenhängen.
Meine Arbeit ist verbunden mit all dem,
was um mich herum geschieht und mich durchdringt.
Worte von Dichtern wie Bachmann, Paul Celan, Rilke oder Paul Valery
gehen in mein Werk ein.
Ich lebe und kommuniziere mit ihnen.
Ich bin eigentlich nur ein Durchgangsstadium.“

Ich finde nämlich,
dass diese Worte wunderbar auf unsere Kirche und das Christ-Sein zu übertragen
sind.

1. Wir sind ja Materie – immer im Abgrund der Antimaterie.
Die herrliche Materie aber ist der Segen zu dem der Petrusbrief aufruft.
Jeder Segen materialisiert sich zum Guten. Das gilt als bewiesen.
2. Die Arbeit von uns soll und mag mit allem im Bunde sein,
was um uns herum geschieht.
In unseren Kirchen, hier in Enns beginnt das Weltgespräch,
darum bringen wir die Welt auch in unsere Kirchen in vielen Formen – gerne.
Die Fragen, die Sorgen, die Probleme…
Die Mauern unserer Kirche sind einzig dazu da,
die Grundlage unseres Glaubens zu klären,
zu besingen, zu beten, in der Schrift zu lesen, zu predigen,
unseren Sinn zu wissen, die Liebe zu finden.
3. Ich bin eigentlich nur ein Durchgangsstadium.
Ein Durchgangsstadium sein.
Gott in mir – Ander-Ich.
Demütig sein können – müssen,
weil ich ein Kind der Weisheit Gottes geworden bin…
Die Welt segnen in dem Menschen, der mir begegnet.
Die Welt lieben.
Teil der Weltfamilie sein und ahnen,
dass so Religionsgespräche beginnen…

„Ich bin eigentlich nur ein Durchgangsstadium.“
Ich missioniere nicht mich,
sondern Gott in Blick und Geste und Gang.
Große Worte – aber eine tiefe Sehnsucht…

Und die Mahnung des Petrus erklärt sich von selbst,
sie ist ein Liebeswerben mit so vielen Mutmach-Worten,
und ich freue mich so sehr, dass heute dieses Fest ist –
und wir in Gottes Wort gehalten:
„Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort,
sondern segnet vielmehr,
weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt …“
Ihr Lieben aus Enns und aus Oberösterreich und überhaupt –
das wollen wir alle tun,
es sein:
Endlich!
+ Amen.