In einem Brief hat sich der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker am Sonntag, 3. März,an alle evangelischen Pfarrgemeinden gewandt. Bei der neuen Regelung des Karfreitags wurde „einseitig den Interessen der Wirtschaft gefolgt – und ein öffentliches Versprechen gebrochen“, hält er darin fest. „evang.at“ dokumentiert den Wortlaut des Briefes:

3. März 2019 (Sonntag Estomihi)

Liebe Schwestern und Brüder,

entgegen aller Versprechen der Bundesregierung wurde den Evangelischen der Karfreitag als Feiertag genommen. Mit etwas Abstand zu den Ereignissen dieser Woche, die nicht nur mich tief betroffen machen, möchte ich einige Klarstellungen dazu vornehmen:

Wir haben von Anfang an praktikable Lösungen vorgeschlagen, die sowohl der Zusage, dass „niemandem etwas weggenommen werden soll“, als auch dem EuGh-Urteil entsprochen hätten: zum einen den Karfreitag als ganzen Feiertag für alle, zum anderen einen zusätzlichen (individuell festlegbaren) freien Tag. Beides wurde zurückgewiesen.

Stattdessen lag seit dem 19. Februar die Variante mit dem „halben“ Feiertag für alle – ab 14 Uhr – vor. Gegen diese Entscheidung erhob sich berechtigterweise laute Kritik von vielen Seiten. Für uns hätte sie einen unzumutbaren Eingriff in die Religionsausübungsrechte bedeutet, weil Gottesdienste am Vormittag erschwert und an vielen Orten sogar unmöglich gemacht worden wären. Diese Regelung hätte unsere gewachsene Gottesdienstkultur schwer beschädigt, wenn nicht zerschlagen. Daher kam auch von der Evangelischen Kirche massiver Einspruch dagegen. Im Internet haben sich in kurzer Zeit rund 30.000 Menschen gegen diese Lösung ausgesprochen.

Nachdem unsere Positionen lange ignoriert wurden, kam es in Folge dieses Unmuts zu sehr kurzfristig anberaumten Gesprächen. Am Montag, den 25. Februar, begann ein intensiver Austausch der Regierungskoordinatoren mit mir, mit dem Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, und einigen anderen. Ich habe mich in allen diesen Gesprächen für den Karfreitag als Feiertag im Austausch gegen den Pfingstmontag stark gemacht, doch traurigerweise bin ich mit diesem Vorschlag alleine geblieben. Es war auch deshalb ein großer Zeitdruck gegeben, weil der von mir eingebrachte Vorschlag, sich für ausführliche Gespräche mit allen Beteiligten ausreichend Zeit zu nehmen, leider nicht aufgenommen wurde. Dies ist umso bedauerlicher, da das unserer in den Evangelischen Kirchen gepflegten demokratischen Kultur zuwiderläuft.

Der Ausgang der „Verhandlungen“, in denen unsere Lösungsvorschläge keinen Raum bekamen, wurde am Dienstag, den 26. Februar, gegen Mittag veröffentlicht und bereits am Tag darauf im Nationalrat beschlossen. Somit konnte nur das Schlimmste verhindert werden: dass evangelische Familien nicht mehr gemeinsam am Karfreitag Vormittag Gottesdienst haben können. Die für uns inakzeptable Lösung mit dem „halben“ Feiertag, die eine Zerschlagung unsere Gottesdienstkultur am Karfreitag bedeutet hätte, war vom Tisch. Das hat bei mir zunächst Erleichterung ausgelöst.
Allerdings ist der „persönliche Feiertag“, den jeder und jede selbst bestimmen und in Anspruch nehmen kann, kein zusätzlicher freier Tag, sondern muss aus dem bestehenden Urlaubsanspruch genommen werden. Hier wurde einseitig den Interessen der Wirtschaft gefolgt – und ein öffentliches Versprechen gebrochen. Das ist auch für mich eine große Enttäuschung. Von einer Einigung zwischen der Regierung und der Evangelischen Kirche, wie in einigen Medien gefolgert wurde, kann in diesem Punkt nicht die Rede sein.

In einer ersten, sehr eilig entstandenen Stellungnahme habe ich mich bemüht, die positiven Aspekte der geänderten Regierungslinie, die uns eine Feier zur gewohnten Gottesdienstzeit ermöglicht, zu würdigen. Dass dieser unglückliche Versuch als positive Zustimmung zum Gesamtergebnis gedeutet werden konnte, schmerzt mich sehr und tut mir leid. Ich bedanke mich für alle Reaktionen dazu, auch für die offenen kritischen Worte.

Niemand weiß, wie die neue Regelung gelebt werden wird. Dazu kommt eine ganze Reihe von rechtlichen Fragen. Fazit ist, dass damit den Evangelischen ein bisher freier Tag genommen wird. Das wirft ein Licht darauf, wie mit den Interessen religiöser Minderheiten in Österreich derzeit umgegangen wird. Viele Evangelische in Österreich haben sich empört an mich gewandt, weil sie sich jetzt als Bürger und Bürgerinnen zweiter Klasse sehen. Es wird eines starken Zeichens der Wertschätzung durch die Regierung gegenüber den Evangelischen bedürfen, um diese Emotionen wieder ins Lot zu bringen. Und wir werden von unserer Forderung nach einem rechtskonformen freien Karfreitag nicht abgehen.

Der Karfreitag ist für uns Evangelische von zentral wichtiger Bedeutung. Wir sind im Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn verbunden. Feiern wir den Karfreitag heuer besonders bewusst und zahlreich, um gemeinsam seine Bedeutung für uns Evangelische sichtbar zu machen!

Ich bedanke mich für alle Unterstützung dieses Anliegens.

Herzliche Grüße

Bischof Michael Bünker