Ich bin Licht vom Licht.
Predigt für den 8. Sonntag nach Triniatis, am 22. Juli 2018
Auch als PDF: ich-bin-licht-vom-licht-predigt-zum-8-so-n-trin-2018

Denn ihr wart früher Finsternis;
nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.
Lebt als Kinder des Lichts;
die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist,
und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis;
deckt sie vielmehr auf.
Denn was von ihnen heimlich getan wird,
davon auch nur zu reden ist schändlich.
Das alles aber wird offenbar,
wenn’s vom Licht aufgedeckt wird;
denn alles, was offenbar wird, das ist Licht.
Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst,
und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.
Epheser 8-14

Now I see.
So hieß einmal eine Ausstellung im Museum Moderner Kunst von Brigitte Kowanz.
Now I see –
Der Titel gefiel der Künstlerin wegen seiner Doppeldeutigkeit:
„Es bedeutet sowohl ‚Jetzt sehe ich‘ als auch ‚Jetzt verstehe ich'“,
erklärte sie in einem Gespräch.

Und der Wesenspruch ihres Schaffens heißt:
„Light is what we see“.
Das hat mir damals gut getan – als Satz über meinem Leben.
Und ich höre ihn heute
als Ansage über meiner Welt, in der ich lebe, von Pol zu Pol und alles kommt mir ins
Haus, alle die Nachrichten, die schrecklichen …
“Light is what we see”.

Die Erinnerung an diesen Satz tut so gut,
weil ich mich frage, wonach wir eigentlich suchen
in diesem ewigen Blinde-Kuh-Spiel, Welt-Bilde-Kuh-Spiel
wir suchen den Schatz und wir finden ihn nicht,
Schlag für Schlag treffen wir ins Leere.
So viele Lebenswelten in der einen Welt.
Ich kann es zusammen nicht sehen.
Du kannst es zusammen nicht sehen. Niemand.
Es ist zuviel.
Und die Seele begreift nicht,
wozu das alles, ein Reichtum, der mich manchmal schmerzt –
dieser Aberwitz und -wahn der Schönen und der Reichen
an allen Stränden der Welt
und daneben das Verkommen und Kaputt-Gehen von Mensch und Tier und Pflanze
und Erde und Meer. All das Abschieben von Leben und
parallel die Vermüllung der Planeten.

„Denn ihr wart früher Finsternis“ – so beginnt das Predigtwort
Welt aus dem Zusammenhang gerissen.
Welt ohne Halt.
Welt ohne Werte
Keine Werte – keine Würde. Das ist gelebte Gleichung.
Diese Rechnung geht immer auf!
Das kannst ich anwenden auf jeden Machtmissbrauch
und auf die Falschheit und den Neid und alle Missgunst,
auf, wie es das Predigtwort sagt
jedwedes „unfruchtbare Werken der Finsternis“.

“Now I see.”
“Light is what we see”.
Nun. Wieder nun!
Alle morgen neu:
Nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.
Das Mea Culpa dieser Erde und auch das persönlichste
hat Gott in sich hinein verwandelt.
Auf den Felsen des Petrus ist die Kirche gebaut.
Das sagt der Glaube und dafür steht das Kreuz uns vor Augen!
Du bleibst in der Liebe.

“Now I see” – weil Gott mich sieht.
Jetzt sehe ich, jetzt verstehe ich.
Und dann fange ich neu an, an genau der Stelle, wo ich mich jetzt befinde

“Now I see.”
“Light is what we see”.
Ein Bild von Steve Johnson drückt mir das aus
in seiner so gelungenen Abstraktion von Leben

Seht ihr das aufleuchtende, einleuchtende Licht über dem aufpeitschenden Meer und
dem nicht wahrgenommenen Grund der Gefahr?

Licht.
alles, was offenbar wird, das ist Licht.
Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst,
und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.

Am besten im Sommer unter der Sonne.
Kann es sein, ich habe es jeden Sommer gelesen?
„Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein…“

Und ich nehme mir’s als ein Gleichnis, dass alles mir kommt von Gott und mein
inneres Sehen darauf wartet zu sich selbst zu erwachen:
Und nun mag sie es selber lesen: Ingeborg Bachmann (eingespielt von youtube)

„Schöner als der beachtliche Mond und sein geadeltes Licht,
Schöner als die Sterne, die berühmten Orden der Nacht,
Viel schöner als der feurige Auftritt eines Kometen
Und zu weit Schönrem berufen als jedes andere Gestirn,
Weil dein und mein Leben jeden Tag an ihr hängt, ist die Sonne.

Schöne Sonne, die aufgeht, ihr Werk nicht vergessen hat
Und beendet, am schönsten im Sommer, wenn ein Tag
An den Küsten verdampft und ohne Kraft gespiegelt die Segel
Über dein Aug ziehn, bis du müde wirst und das letzte verkürzt.

Ohne die Sonne nimmt auch die Kunst wieder den Schleier,
Du erscheinst mir nicht mehr, und die See und der Sand,
Von Schatten gepeitscht, fliehen unter mein Lid.

Schönes Licht, das uns warm hält, bewahrt und wunderbar sorgt,
Dass ich wieder sehe und dass ich dich wiederseh!
Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein …

Nichts Schönres als den Stab im Wasser zu sehn und den Vogel oben,
Der seinen Flug überlegt, und unten die Fische im Schwarm,

Gefärbt, geformt, in die Welt gekommen mit einer Sendung von Licht,
Und den Umkreis zu sehn, das Geviert eines Felds, das Tausendeck meines Lands
Und das Kleid, das du angetan hast. Und dein Kleid, glockig und blau!
Schönes Blau, in dem die Pfauen spazieren und sich verneigen,
Blau der Fernen, der Zonen des Glücks mit den Wettern für mein Gefühl,
Blauer Zufall am Horizont! Und meine begeisterten Augen
Weiten sich wieder und blinken und brennen sich wund.

Schöne Sonne, der vom Staub noch die größte Bewundrung gebührt,
Darum werde ich nicht wegen dem Mond und den Sternen und nicht,
Weil die Nacht mit Kometen prahlt und in mir einen Narren sucht,
Sondern deinetwegen und bald endlos und wie um nichts sonst
Klage führen über den unabwendbaren Verlust meiner Augen.“

Und wir haben auch gesehen in diesem Sommer,
wie das Licht bricht durch das Grün,
und wie hoch am Himmel es ist,
und wir vergessen Ozon und allen Schaden
und etwas dankt in uns wieder wie am Anfang.

Und dann können wir schon mitgehen,
und unser innerer Schritt wird leicht,
mit dem, was das Predigtwort von uns fordert,
nämlich den Dingen den Schleier nehmen
und das Böse aufdecken,
und es holen aus seinem Versteck
und beim Namen nennen, was wir einander antun im Kleinen und im Großen!
Und alles wird eines Tages hindurch gegangen sein durch jedweden Verlust ..,
Zeuge, Zeugin des Lichts werden, das wäre ein schönes Amt.

Eine letzte Zeugin vom Licht für heute, Luise Rinser.
Das habe ich so gerne wieder gefunden,
weil es so sehr tröstet. Weil es Hoffnung macht:

„Aber kann man das: das Licht wollen?
Kann man von sich aus aufwachen?
Konnte Paulus, der Saulus, die Christusbegegnungen wollen?
Brach das Licht nicht über ihn herein ohne sein Zutun? Kaum.
Es war schon Licht, ehe er wusste, dass er’s war.
Das Licht in ihm, das Geisteslicht, zog den Blitz auf sich.
Seine Sehnsucht nach Wahrheit,
die den Saulus das Christentum als Irrtum ansehen ließ,
ebendiese Sehnsucht rief den Christus herbei.

Licht zum Licht,
so geschehen Bekehrungen.
Aber wer seine Sehnsucht erstickt, wer gar kein Licht will,
wer sich gerade wohl fühlt im Finstern?
Ach, so einen gibt’s nicht.
So einer ist wie ein Kind, das,
weil es das Osterei nicht sofort findet,
sich im dunkeln Keller versteckt
und mit aller Welt zerfallen ist
und sich doch mit Schmerzen sehnt danach,
gefunden und zum Spiel zurück geholt zu werden.

Wir sind Licht.
Es ist eine wunderbar wirksame Meditationsübung,
sich hundertmal am Tag zu sagen:
Ich bin Licht vom Licht.
Das Wort zieht den Christus herbei,
und der Christus in uns wird zum Licht für andere.
Denn:
Nicht einer allein ist Kind des Lichts,
es kann es nur sein mit den anderen,
nämlich in der Liebe. Denn: Liebe ist Licht.“

+ Amen.