Das Gebet will zu einem Andern.
Predigt für den Sonntag Rogate, am 5. Mai 2018

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Ich gehe einem wichtigen Jubiläum entgegen in diesem Jahr.
Am 12. Juli 2017 habe ich den Führerschein geschafft.
Unter dem Motto: „Hier fahre ich, ich kann nicht anders“,
hatte ich es im Facebook gepostet
und die meisten likes meines Lebens erhalten!

Seit ich Auto fahren kann,
hat sich die Kurve meiner Aufmerksamkeit ein wenig gedreht.
Nicht nur, dass ich Autos gegenüber aufmerksamer geworden bin,
ich lese auch gerne über Autos,
so die Kolumne Autodrom von David Staretz im Profil.
In der neusten Kolumne schreibt er unter dem Titel
„Tabernakel der Selbstbelohnung“:

Mit einer gewissen Verschämtheit wachsen unsere Autos in
Länge, Breite, Höhe.
Mit jedem Modellwechsel
kommen millimeterweise Zentmeterchen dazu,
wie Jahresringe.
Ähnlich verschämt will niemand wahrhaben,
weist niemand darauf hin,
dass dieses Wachstum genau dem Ansatz entspricht,
mit dem wir die Welt systematisch zugrunde richten.

Wer in einem dichten Stau zwischen
Vans, SUVs, Großlimousinen und Geländefahrzeugen steht,
erkennt das Prinzip
Weltzerstörung durch Massenausbreitung.
Immer weniger Platz zwischen den Autos.
Der Leeraum verlagert sich nach innen …

Dieses Blechgeblähe – woher kommt das, wohin geht das?
fragt er weiter

Der Leeraum verlagert sich nach innen …

Was geschieht hier mit mir, mit uns?
Und diese sich ausbreitende Leere
wird ja so geschickt produziert, vorangetrieben
von den Erfindern und Betreibern
der ganz gut funktionierenden Paradiesmaschine (Lydia Mischkulnig).

Hier hat alles seine Ordnung nach dem Platz, den ein Geldgott mir einräumt.
Fast könnte man meinen: Je größer die Leere, umso relevanter mein Platz.

Der Philosoph Ugo Perone hat zu diesem allgemeinen Phänomen
eine besondere Beobachtung hinzuzufügen –
aus der Perspektive der Säkularisierung:
Mit der Säkularisierung ging, so sagt er,
auch etwas verloren, was den Menschen heute fehlt.

„Säkularisierung“, sagt der Philosoph ist immer auch eine Wunde,
denn seither ist ein immanenter Nihilismus in der Welt,
der sich nicht zuletzt auch im Terror dieser Tage Ausdruck verschafft“.

Ist das die Ursache wie die Folge dieser Leere
mit einer kaum wahrnehmbaren aber dennoch
ihr heimlich innewohnenden Sehnsucht?

Versöhnender,
der du nimmergeglaubt
nun da bist, Freundesgestalt mir
annimmst Unsterblicher, aber wohl
erkenn ich … das Hohe
das mir die Knie beugt,
und fast wie ein Blinder muss ich
Dich, himmlischer Bote, fragen, wozu du mir,
Woher du seiest, seliger Friede!

Viel hat erfahren der Mensch,
der Himmlischen viele genannt,
seit ein Gespräch wir sind
und hören können voneinander.

Ein Chor nun sind wir. Drum soll alles Himmlische was genannt war,
eine Zahl geschlossen, heilig, ausgehn rein aus unserem Munde.

Friedrich Hölderlin, Fragmente aus dem Entwurf zur Friedensfeier
heute zu sagen, an diesem Maisonntag Rogate:

Vielleicht ist das ja der Weg der Kirche, dass sie immer mehr ins Gebet geht …
Wie ich glaube, dass wir ja mehr und mehr eine Kirche und überhaupt die Kirchen auf dem Weg sind, Kirche des Bekenntnisses zu werden.

Und ich bekenne:
Ich glaube an das Gebet
Ich glaube an dieses innerste Gespräch meiner Seele
unserer Seele
Ich glaube an die Kraft, die verwandelt aus der Tiefe
des sagbar Unsagbaren
weil einer uns spricht
und das ist Gott allein,
der gewollt hat,
dass sie ist, die Welt und alles Leben
und der einmal und für ewig gesagt hat:
Du.

Seitdem sind wir – und merken es kaum – ein Gespräch
ein Gespräch mit Gott…
genauer noch,
es ist in Wahrheit ein Gedicht.
Und wir sagen ja:
Das ist ein Gedicht
und meinen:
Das ist wunderbar –
Dies kommt aus Gottes Zeit und Wesen…

Es ist so groß, dass es in die Stille muss,
das Gedicht des Seins.
Die wichtigsten Dinge, das sind die,
die an den Sinn des großen Ganzen rühren,
in denen das Weltherz schlägt,
weil sie das heilige Sein in sich tragen,
wir Menschen müssen mit dem Heiligen Sein
immer in die Stille gehen,
in die Leere, wo immer sie sei,
dahin müssen wir gehen mit allem Nichts,
in einen Raum, der von der Welt nichts weiß
in die Stille
und dann durch die Stille hindurch in die Welt.

Wenn du aber betest,
so geh in dein Kämmerlein
und schließ die Tür zu
und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist …

„Das Gedicht ist einsam“, schrieb Paul Celan in seiner Rede, Der Meridian
„Das Gedicht ist einsam
Es ist einsam und unterwegs.
Wer es schreibt, bleibt ihm mitgegeben.
Aber steht das Gedicht nicht gerade dadurch,
also schon hier, in der Begegnung –
im Geheimnis der Begegnung?

Das Gedicht will zu einem Andern,
es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber.
Es sucht es auf, es spricht sich ihm zu.
Jedes Ding, jeder Mensch ist dem Gedicht,
das auf das Andere zuhält, eine Gestalt dieses Anderen.“

Und wir dürfen es noch einmal hören – und wir sprechen vom Gebet:
„Das Gebet ist einsam
Es ist einsam und unterwegs.
Wer es betet, bleibt ihm mitgegeben.
Es ist Gott, der in uns betet, wenn wir beten
Aber steht das Gebet nicht gerade dadurch,
also schon hier, in der Begegnung im stillen Kämmerlein –
im Geheimnis der Begegnung?

Das Gebet will zu einem Andern,
es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber.
Es sucht es auf, es spricht sich ihm zu.
Jedes Ding, jeder Mensch ist dem Gebet,
das auf das Andere zuhält, eine Gestalt dieses Anderen.“

Ist das nicht das tiefste Umjubelte in Dir und mir,
dass ich das bin
ein Gottesgespräch?
Ich – ein Ort für Gottes Wort?

Rogate, betet!
Betet um Euer Leben –
Und bete Du allein in Deinem Kämmerlein,
sage kein Wort oder dann eines oder auch nicht
vieler Worte braucht es nicht
Du bist ja im Wort
des großen Liebeswortes Deines Gottes.

Und das Leben selbst ist ein Gottesbeweis
und ein Beweis dafür,
dass die Gebete nicht umsonst sind
Nicht eines auf dieser Erde.

Und ich muss denken an das sms des Freundes, der um ein Gebet bat
für Richard, der notoperiert werden musste am 1. Mai.
Und der Ausgang war ganz ungewiss …

Wie viele Gebete habe ich gebetet und wie viele Gebete hast Du gebetet:
Bitte, lieber Gott, lass sie nicht sterben
Danke, lieber Gott, für das neue Leben in unserer Mitte

Bitte, lieber Gott, mach, dass es aufhört
Danke, lieber Gott, dass ich die Stelle bekommen habe

Bitte lieber Gott, mach, dass das nicht wahr ist
Danke, lieber Gott, für mein Leben.

Keines der Gebete ist je umsonst!

Und so heißt es in unserem Predigtwort Matthäus 6,6-13:
Wenn du aber betest,
so geh in dein Kämmerlein
und schließ die Tür zu
und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist;
und dein Vater, der in das Verborgene sieht,
wird dir’s vergelten.
Und wenn ihr betet,
sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden;
denn sie meinen, sie werden erhört,
wenn sie viele Worte machen.
Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen.
Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.
Darum sollt ihr so beten:

Unser Vater im Himmel!          Und wir singen es….
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel
so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Ein Chor nun sind wir. Drum soll alles Himmlische was genannt war,
eine Zahl geschlossen, heilig, ausgehn rein aus unserem Munde….

Rogate –
Betet!
+ Amen.