Johannes Modeß – seit 1. September 2022 Pfarrer unserer Gemeinde
Hier seine Vorstellung aus der Zeitung:
Geist, Witz und Spritzigkeit – über Humor und Glaube
Wo treffen sich Glaube und Humor? Diese Frage treibt mich um und an. Seit ich theologisch denken kann, bin ich mir sicher, dass die beiden ganz eng und ganz tief miteinander verwoben sind. Aber wie genau und was das für meinen Glauben und meine Arbeit als Pfarrer bedeutet, diese Frage lässt mich nicht los.
Heute habe ich eine Vermutung: Humor und Glaube treffen sich auf einer Leiter. Sie lehnt an jenem Apfelbaum, den Luther (angeblich) noch gepflanzt hätte, hätte er den Weltuntergang kommen sehen. Beide tragen das gleiche Hemd. Von Esprit. Schließlich ist in diesem französischen Wort – esprit – verbunden, was im Deutschen nicht so of- fensichtlich zusammengehört: Geist – Witz – Spritzigkeit. Sie tragen das Hemd aber übrigens in unterschiedlichen Farben. Mit Uniformität können sie beide wenig anfan- gen. Beide halten sie ein Tablett in der Hand. Sie verteilen Getränke: weißen Spritzer und gespritzten Apfelsaft. So stehen sie da und reden angeregt darüber, was unten, ihnen zu Füßen, passiert. Ein gewagtes Szenario würde man meinen, zu zweit auf einer Leiter, quasi einhändig, gelehnt an einen Baum, den es vielleicht gar nicht gibt. Glaube und Humor sind schon komische Gesellen. Sie reden, als wäre ihnen ganz wichtig, was da unter ihnen vor sich geht – aber trotzdem stehen sie etwas drüber und lassen es nicht so wirklich an sich heran. Sie sorgen dafür, dass man zu ihnen aufschaut, skeptisch, fast ängstlich und sich fragt: Kann das gutgehen? Und trotzdem verschaffen sie sich Gehör, weil ihr Blick von ‚etwas drüber‘ und ihre sprit- zigen Kommentare zur Lage der Welt offenbar gut tun und befreien. Sie sind risikobereit, hinaufgeklettert in eine Welt, die in sich zusammenstürzen kann, wenn der Boden rutschig wird oder der Baum, der ihnen Halt gibt, sich als Illusion erweist. Es ist ihnen egal, ob der Zusammenhang zwischen spirit/spiritus und spritzigen Getränken etymologisch seriös ist. Sie verteilen die Getränke einfach, um erlebbar zu machen, was Paulus in Röm 8 über Gottes Geist, Gottes Esprit schreibt: Er macht lebendig, gibt Kraft in Schwachheit, erfrischt, macht den Menschen neu. Und so wünschen sie sich, dass möglichst viele zu ihnen hinaufklettern und sich ein wenig Spritzigkeit mit hinun- ternehmen in ihren Alltag…
Als neuer Pfarrer in der Dorotheergasse sehe ich meine grundlegende Aufgabe darin, mit Ihnen von Zeit zu Zeit auf diese Leiter zu steigen und uns gemeinsam von Glaube und Humor mit dem spritzigen Geist Gottes versorgen zu lassen. In der Seelsorge will ich mit Ihnen gemeinsam von Glaube und Humor das Drüberstehen lernen über den manchmal engen Schluchten des Alltags. In Gremien will ich mir von meinem Glauben und Humor helfen lassen, durch den Blick von oben Wesentliches und Unwesentliches zu unterscheiden. Aus meinen Gottesdiensten will ich Sie erfrischt und mit einer Dosis Gelassenheit für die nächste Woche entlassen. Und wenn Sie mit mir darum bitten wollen, dass Gottes spritziger und lebendig machender Geist unsere gemeinsame Zeit in der Dorotheergasse begleitet und uns immer wieder gemeinsame Wege auf die Leiter ermöglicht, auf der Glaube und Humor sich treffen, dann kommen Sie doch zu meiner Amtseinführung am 18. September um 10 Uhr unter dem Motto:
„Zum Wohl!“
Ihr Pfarrer Johanes Modeß
Mailadresse: johannes.modess@stadtkirche.at