Es sind nicht immer die Lauten stark.
Predigt zum 4. Sonntag nach Trinitatis,
anlässlich der Segnung der neuen
und der Verabschiedung der alten Gemeindevertretung

Auch als PDF: heiligt-aber-den-herrn-christus-in-euren-herzen

“Heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen” – Der Predigt erster Teil:

„Innerhalb von 6 Wochen nach der Wahl“ – so sieht es die geltende Wahlordnung
unserer Kirche vor – hatte „die Angelobung der Mitglieder der neuen
Gemeindevertretung und Konstituierung der neuen Gemeindevertretung“ zu
geschehen.

„Die amtsführende Pfarrerin …“ hatte „zur Angelobung und zur Konstituierung der
neuen Gemeindevertretung“ einzuladen.

„Alle gewählten Mitglieder der neuen Gemeindevertretung und alle Mitglieder der
Gemeindevertretung, die kraft ihres Amtes der neuen Gemeindevertretung
angehören, müssen eingeladen werden.“

Das heißt: Hat ein Pfarrer oder eine Pfarrerin Streit über den Staubsauger oder über
die Gesangsbücher – oder was immer sein könnte. Ein Grund zum Streiten findet sich
leicht, wenn man will oder auch nicht – sie muss jeden und jede
GemeindevertreterIn einladen.

Dass es ausdrücklich festgehalten ist, finde ich spannend.
Erfahrungen müssen vorliegen für diesen Pflichtsatz.
Bei dieser Sitzung „ist in die Hand der amtsführenden Pfarrerin oder des
amtsführenden Pfarrers folgendes Gelöbnis abzulegen:

,,Ich gelobe vor Gott, bei meinem Wirken als Gemeindevertreter
die innere und äußere Wohlfahrt dieser Gemeinde
nach bestem Wissen und Gewissen zu wahren
und darauf zu achten, dass die Kirche in allen Stücken wachse
an dem, der das Haupt ist, Christus.“

Ich fand es ja so schön evangelisch,
dass ich von unterwegs in die Sitzung geradezu hinein gefallen war
und die Gelöbnisformel nicht vorbereitet hatte,
nicht das Papier, auch nicht das Smartphone vorbereitet,
der Kollege an meiner Seite wusste mir auch nicht zu helfen,
aber eine Gemeindevertreterin, im Begriff wieder Presbyterien zu werden,
hatte gleich richtig geklickt. Florentine.

Diese schöne Rettung aus einer plötzlichen Peinlichkeit,
diesem Stolpern, das uns so schnell geschehen kann.
Aber gerade darin ein so schönes Bild,
was wir einander sein sollen.
Die Liebe Gottes und seine Hilfe.

Es ja auch ist ein Bertha von Suttner-Jahr.
„Nach ‚lieben’ ist ‚helfen’ das schönste Zeitwort der Welt“, sagt sie.

So miteinander in allen Ämtern und Funktionen
in den hinein wachsen, der das Haupt ist, Christus!
Das ist ein schönes Ziel.
Für dieses Ziel lasst uns beten:

Gott, Du Geheimnis der Welt,
der Du die Welt ins Sein hebst
und uns erhältst durch Deinen Ruf, Dein Wort, Deine Ansprache.
Wir danken Dir, dass Du uns immer wieder ermutigst,
gerne ich zu sein,
gern dem anderen, der anderen zu helfen,
mit ihm, mit ihr ein Gutes Ganzes zu bauen;
wir danken Dir für alle Energie zu leben,
für alle Kraft zur Freundschaft,
wir danken Dir auch
für Loslassen können nach einer schönen, gemeinsamen Lebens- , Arbeitszeit.
Und wir beten für unser aller Wirken
im Rahmen der Möglichkeiten, die Du einem jeden, einer jeden schenkst.
Und dass ich in Dir bin und bleibe
allein aus Gnade.
Amen. ( nach Traugott Giessen)

So sei Du, seid Ihr gesegnet
alle Gemeindevertreterinnen und – vertreter,
die ihre Dienste in dieser Funktion beendet haben
und all jene; die begonnen haben in der Gemeindevertretung mitzuarbeiten.

Segen durch die beiden Gemeindepfarrer

“Heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen” – Der Predigt zweiter Teil

Immer wieder trifft uns das eine Wort, das uns so erhebt
und uns alles ahnen lässt, dieses wunderbare Darüberhaus allen Seins und Wirkens
Und auch das Wissen, dass es das Misslingen aushält, die Verfehlung.

Ein so wunderbares Datum, der Arbeitsgremien einer Gemeinde bewusst zu werden,
der 4. Sonntag nach Trinitatis:

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet.
Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt.
Vergebt, so wird euch vergeben.
Gebt, so wird euch gegeben.
Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß
wird man in euren Schoß geben;
denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen.

Der 4. Sonntag nach Trinitatis wendet sich der Gemeinde zu.
Sie wird als Gemeinde der Sünderinnen und Sünder gesehen,
die der Gnade Gottes bedarf.
Immer habe ich zu allem, auch zum Gelungensten, die Gnade nötig.
Immer ist alles, was ich bin, der Ergänzung bedürftig.
So einfach ist es, so unendlich schwer …

Ich aber gelobe dies eine Sein aus Gott,
darum bewegt uns eine Formel wie diese, ähnlich wie ehedem
der Segen zur Konfirmation.
Gott Vater, Sohn und heiliger Geist gebe Dir seine Gnade …
Oder das Ja zur Taufe meiner Kinder
Und für Augenblicke kann ich all das fühlen,
was mich entgrenzt
und mich auch neu definiert:

Es ist ein kleines, feines Mysterium vom Urvertrauen,
wie ein Herzschlag tickt es Gottes allerbeste Zeit je und je in uns …

Und selbst, wenn die Prognosen von Kirche nicht halten.
Unser Bischof Michael Bünker hatte seine Wahl angetreten unter dem Motto und
Versprechen einer „wachsenden Kirche“.
Sie schrumpft aber.

In der vergangen Woche hatten wir eine interreligiöse Begegnung,
eine Lehrveranstaltung mit der Kirchlich Pädagogischen Hochschule Krems
in unserer Kirche.
Bei dieser Begegnung hat der Bischof gesagt,
dass unsere Kirche pro Jahr 4000 Mitglieder verlieren würde.

Dass die Kirche kleiner wird, liebe Gemeinde,
kratzt mich, sozusagen, nicht die Bohne.
Martin Luther war die Größe einer Kirche, nie das Thema,
auch Paul Tillich nicht, den wir im Herbst wieder lesen werden. Wie ich mich freue ….
Die Tiefe der Kirche, die Tiefe ihres Glaubens, das war und ist wichtig
und wird wichtig bleiben
Ob da gelebter Glaube sei – Ob da gelebter Glaube ist.

Wie in dem Film, den wir gesehen haben „Hidden figures“:
Da sagt der jüdische polnische technische Leiter der Nasa
der schwarzen jungen Technikerin, inmitten der gelebten Apartheid,
ihr Mut machend für das Eigene, für ihre Berufung:
Es kommt darauf an: „Dass wir das Unmögliche leben“!

Durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein.
Vielleicht ganz gut, wenn wir den Mund nicht so voll nehmen können.

Konstantin Wecker:
Es sind nicht immer die Lauten stark,
nur weil sie lautstark sind.
Es gibt so viele, denen das Leben
ganz leise viel echter gelingt.

Die stehen nicht auf Bühnen, füllen keine Feuilletons.
die kämpfen auf schwereren Plätzen.
Die müssen zum Beispiel in Großraumbüros
sich der Unmenschlichkeit widersetzen.

Die schützt kein Programm, kein Modedesign.
Die tragen an sich etwas schwerer.
Die wollen ganz einfach nur anständig sein
und brauchen keine Belehrer.

Die schreiben nie Lieder.
Die sind Melodie.
So aufrecht zu gehen,
lerne ich nie.

Ja,
Es sind nicht immer die Lauten stark,
nur weil sie lautstark sind …

“Heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen”, das geht nicht laut,
auch die innere und äußere Suche nach dem, was Christum treibet (Luther),
geschieht nicht im Lärmen. Es ereignet sich aus der Gottestiefe.
Und es bedarf keiner Zahl … Nummern gibt es doch genug.

Doch das kleine, feine Mysterium vom Urvertrauen,
tickt wie ein Herzschlag
Gottes allerbeste Zeit,
sein wunderbares Neues Sein je und je
in Dich, in mich hinein,
ins wirkende heilige WIR!
In freudvoller Zuversicht:

+ Amen.