Lass mich Dein Brot und Salz der Erde sein,
Predigt zum Sonntag Lätare, 11. März 2018
Auch als PDF: Lass mich Dein Brot und Salz der Erde sein
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch:
Wer glaubt, der hat das ewige Leben.
Ich bin das Brot des Lebens.
Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen
und sind gestorben.
Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt,
damit, wer davon isst, nicht sterbe.
Ich bin das lebendige Brot,
das vom Himmel gekommen ist.
Wer von diesem Brot isst,
der wird leben in Ewigkeit.
Und dieses Brot ist mein Fleisch,
das ich geben werde für das Leben der Welt.
Joh 6, 47-51
„Lass mich Dein Brot und Salz der Erde sein“,
heißt es in einem kleinen Gedicht von Ulla Hahn,
„Brot und Salz
Du hast kein Haus gebaut
Bau denn auf mich
Und keinen Baum gepflanzt
Leg Dich in meinen Schatten
Kein Kind gezeugt
Nimm mich in Deinen Arm
Lass mich Dein Brot und Salz der Erde sein.“
Es könnte ein Nachkriesggedicht sein ….
So sehr viel kann ein Mensch einem anderen Menschen sagen und sein ….
Und wir ahnen: Wo irgend jemand so geben kann
und wo das dann auch noch in Freiheit aufgenommen
und angenommen werden kann,
ist das schon ein Glücksfall des Lebens.
Im Zuspruch der Liebe,
überhaupt in einem ganz Elementaren.
Darin, dass wir von anderen und andere von uns leben,
lässt sich viel entdecken:
am guten Wort,
an der barmherzigen Berührung,
an der Hingabe, die den anderen, die andere richtig speist.
Ingolf Dalferth hat vor diesem Hintergrund
das „Opfer als Glücksfall des Lebens“ bezeichnet:
„Wir alle leben von anderen.
Und wir alle leben auf Kosten von anderen.
Beides wissen wir, und an beidem können wir wenig ändern.
Das beginnt mit dem Kind an der Mutterbrust.
Und es endet mit der Pflege am Totenbett.
Wer lebt, lebt von anderen und durch andere. …
Niemand vermag, ohne solche Opfer anderer zu leben:
Wir alle leben davon,
dass andere uns mehr geben als wir in irgendeinem Sinn verdienen.“
Ich erinnere mich tief an ein sehr bewegendes Gespräch
mit einer jungen zerbrechlichen Frau,
die davon erzählte, dass sie mit 24 Jahren Witwe geworden war.
Ihr lieber Mann war an Krebs verstorben.
Sie hat erzählt, wie sich mit dem Schwinden der Hoffnungen
der Freundkreis verkleinert hatte.
Als ihr lieber Mann mit gerade 24 Jahren starb,
war sie am Ende des Kampfes ganz allein.
Und war es immer noch.
„Mit wem soll ich reden und worüber?
Das einzige, was mir Trost gibt, ist mein Cello.
Ich kann mir nur keinen Unterricht leisten.“
Ich habe kurzerhand meine Cellolehrerin angerufen,
ihr von der jungen Frau und ihrem furchtbaren Schicksal erzählt
und meine Cellolehrerin hat sofort von sich angeboten,
der jungen Frau zu helfen und ihr Unterricht zu geben und sei es auch umsonst…
Zum Sonntag Lätare gehört die Verbindung von Hingabe und Glück –
„Lass mich Dein Brot und Salz der Erde sein“,
zum Sonntag Lätare gehört mitten in der Passionszeit
das Aufscheinen von Fülle und Erfüllung,
wie das ja auch der Spruch zu Woche sagt:
„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein;
wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“
Aus einem solchen Glauben haben die Geschwister Scholl gelebt,
die sich selbst als Opfer gaben
für die Wahrheit der Gottesliebe und das Menschsein aus ihr
„O, Gott der Liebe“ schrieb Hans Scholl 1942,
„hilf mir über meinen Zweifel hinweg.
Ja, ich sehe die Schöpfung, die Dein Werk ist, die gut ist.
Aber ich sehe auch das Werk der Menschen,
unser Werk, das grausam ist und Zerstörung und Verzweiflung heißt
und das die Unschuldigen immer heimsucht.
Erbarme Dich …”
Gottes Brot und Salz der Erde waren er und seine Schwester Sophie
und die Freunde um sie. Diese jungen Menschen,
mit der Leidenschaft, ganz zu lieben und der Sehnsucht,
der Gerechtigkeit Gottes zur Hilfe zu eilen …
Ich bin das lebendige Brot,
das vom Himmel gekommen ist.
Wer davon isst, stirbt nicht!
Wer von diesem Brot isst,
der wird leben in Ewigkeit.
Und dieses Brot ist mein Fleisch,
das ich geben werde für das Leben der Welt.
Das ist das Maß, dieses Gehimmelte
das Wunder wirkt bei Menschen,
die dem Bösen und der Abgrundtiefe,
derer Dämonen fähig sind, widerstehen.
„Lass mich Dein Brot und Salz der Erde sein“!
Ich habe ein schönes keines Sonderglück gehabt,
weil ich überdies auf ein Gedicht aufmerksam geworden bin –
darin ist alles gesagt von der Erinnerung und von allen Gedenken
1918, 1938, 1968, 2018 und immer so fort …
Ein ACH ist auch in der ACHT jeder Zahl und die ACHT ist in MACHT und in WACHT
und in ACHTUNG!
Ich will das Brot mit den Irren teilen
von Christine Lavant, von einer die Acht hat auf das, was geschieht:
Ich will das Brot mit den Irren teilen
täglich ein Stück von dem großen Entsetzen,
auch die Glocke im Herzen,
dort, wo die Taube nistet
und ihre winzige Zuflucht hat
in der Wildnis über den Wassern.
Lange hab ich als Stein gehaust
am Grunde der Dinge.
Aber ich habe die Glocke gehört
leise von Deinem Geheimnis reden
in den fliegenden Fischen.
Ich werde fliegen und schwimmen lernen
und das Steinerne unter den Steinen lassen,
die Schwermut betten in Perlmutter
doch den Zorn und das Elend erheben.
Meine Flügel sind älter als Deine Geduld,
meine Flügel flogen dem Mut voraus,
der das Irren auf sich nahm.
Ich will das Brot mit den Irren teilen
dort in der furchtbaren Wildnis der Taube,
wo die Glocke das große Entsetzen drittelt
zum dreifachen Laut Deines Namens.
Christine Lavant
Was für ein unsägliches Glück haben wir mit den Menschen.
Ist doch auch wahr!
Heute verweist das Jesuswort nach Johannes
auf die Quelle seiner Hoffnung aus dem Urvertrauen,
verweist auf Gott und den Himmel, den Gott bewohnt –
und spricht in allem von diesem Woher von Welt überhaupt.
Und er verweist auf eine Realität,
die unsere sichtbare Realität,
all unsere Alltagserfahrungen übersteigt
und er sagt dem Menschen zu:
Als Erdenmensch bist Du immer zugleich ein Himmelswesen,
von einem Gott, der letztlich das Geheimnis der Welt bleibt, beschützt und bewahrt.
Das ist das Geheimnis Deiner Religion,
dass Du im Wiederspiel des Unmöglichen mit dem Möglichen
Deine Möglichkeiten erweiterst. (Ingeborg Bachmann)
Das ist das Geheimnis Deiner Religion.
Deine Möglichkeiten, das Leben neu zu verstehen, sind ungezählt!
Und Deine Möglichkeiten, das Leben darum neu zu leben, sind ungezählt!
Wenn die Welt uns glauben lassen will,
es gibt keine Hoffnung, sagt der Glaube:
„Setze alles auf die Hoffnung“.
Wenn die Welt sagt: „Das Leben, die Liebe, der Sinn – stirbt“,
dann sagt der Glaube: „Das Leben steht wieder auf. Und der Sinn und die Liebe
Und alles wird Dir aus dem Geheimnis der Welt –
das glücklich macht durch den einen,
der sich selbst so hingegeben hat als Opfer,
dieser ultimative Glücksfall für das Leben der Welt und für Dich!
+ Amen.