LIKE ist Ihre Losung

„Ich gehör Dir nicht zu“, ist ein Trauersatzfragment
aus einem Liebesgedicht der Dichterin Ingeborg Bachmann.
Ich finde diese seltene Satzzusammensetzung sehr schön,
weil sie aufmerksam macht auf die Sehnsucht nach dem,
was alles Leben will: Dazugehören.
Spüren Sie, spürst Du das Offene in diesem Satz,
dass da in der Sprache ein Warten ist?
„Ich gehör Dir nicht zu“.

Diese Sehnsucht ist in der Welt.
Sie treibt an zu Wundern und sie treibt ins Versagen,
in verheerenden Irrtum, in den Knick der Geschichte,
in das absolute Böse, in den Untergang.

All dies und auch sein Gegenteil
sind abgebildet in der digitalen Welt,
in der das postmoderne Menschentum sich eingerichtet hat.

Darin wird die Sehnsucht nach dem „Dazugehören“ voran getrieben,
doch wird sich in den vermeintlich neuen Gelegenheiten der technischen Welt
und ihrer Offenbarungen nicht erfüllen.
Im Gegenteil. Der Einsamkeitspegel steigt und steigt,
während wir uns, so der Gesellschaftsphilosoph Byung-Chul Han
„einer grenzenlosen Kommunikation“ hingeben.
Wir Heutigen huldigen der „digitalen Hyperkommunikation.
Der Kommunikationslärm macht uns aber nicht weniger einsam.
Es macht uns vielleicht sogar einsamer als (so der Autor Bezug nehmend auf Celan) Sprachgitter.
Jenseits des Sprachgitters ist immerhin ein Du …
Zwei Mundvoll Schweigen könnte mehr Nähe,
mehr Sprache beinhalten als Hyperkommunikation.
Schweigen ist Sprache, Kommunikationslärm dagegen nicht.
In den neuen Kommunikationszonen wird das Fremde eliminiert:
‚LIKE ist ihre Losung’“, und das unstillbare Verlangen

allen tippenden Bemühens!

Aus dieser Beobachtung der Entwicklung der digitalen Revolution
mit allen Implikationen und ihren irrenden Kindern
leitet sich für mich der Kirchenauftrag für meine Kirche ab.
Ihr Wort für die Welt macht Menschen satt, ichstark und Dubefähigt
gegen alles Verlierbare: „Kommet her zu mir alle“,
die Ihr nicht mehr zurecht kommt mit Euren Lebensläufen,
den Schnitten in der Existenz. Hier gehörst Du dazu. Ganz.
So wie Du bist, bist Du eingeladen vom Neuen Sein
mit Deinem ganzen So- und Sondersein.
Du sollst die Gnade schmecken – Abendmahl für ALLE! –
im Angesicht aller wirklichen und möglichen Feinde.
Der Tisch der Liebe ist für Dich
und jeden Menschen jeder Religion und jeder Auffassung gedeckt.
Und Du kannst sagen, weil Du das fühlst: Ich gehöre Dir und allem Leben zu!

Ines Charlotte Knoll
Veröffentlicht in „Evangelisches Wien“,
dem Magazin der Evangelischen Superintendenz A.B. Wien, Ausgabe 1, 2018

 

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