„Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang…“
Predigt zum Ewigkeitssonntag, 25. November 2018
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„Der Himmel ist
tief.
Du wirst die Flut
abwarten müssen,
dann kannst du
die Erde vergessen,
und jenseits
der Gezeiten
bricht ein Licht auf,
in dem du
ein zweites Mal
lebst.“
(Peter Härtling)

Ach wie wir uns sehnen nach diesem aufbrechenden Licht!

Der Name des Sonntags hat mir immer viel bedeutet in seiner Gewichtung:
EWIGKEITSSONNTAG. Horizontbeschreibung in seinem Namen.
Großer schwerer Tag, ernst und würdig und tief, still, so still,
eigenster Lichttag, in den wir alles Dunkel bergen,
das uns hierher gebracht hat in die Kirche,
um unserer lieben Verstorbenen zu gedenken –
aus unserem Leben bis hierher – aus all den Jahren –
oder aus diesem einen letzten Jahr vom 1. Advent 2017 bis heute und hier.

„Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang
Und laß mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;
– Und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
Doch mit dem Tod der andern muß man leben.“
(Mascha Kaleko)

In alles Erfahrene hinein ein Wort des Propheten Jesaja,
das um den Schmerz der Welt weiß in seiner Vision:

„Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen,
dass man der vorigen nicht mehr gedenken
und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.“

Dass dies Herzzerreißende einmal aufhören wird, bewegt mich so im Wort vom
neuen Himmel und der neuen Erde bei Jesaja …

Vertrauter ist uns das Wort aus der Offenbarung: Und ich sah einen neuen Himmel
und eine neue Erde …

Es ist aber hier alles: die vorige Welt!
Was für ein Trost für uns, die wir noch hier sind!
Wir sind im Vorigen – nicht im Letzten!
Einem ganz Anderen gehen wir entgegen,
dem Zeitwunder über allem,
wenn nämlich alles und jedes überwunden ist
und wir uns wiederfinden unter einem neuen Himmel und einer neuen Erde!

Was für eine Ansage.
Und wie uns das aussagt:
Dich, mich, Deine Trauer und Du weinst
und weißt nicht wohin mit Deinen Tränen,
und kannst kaum ahnen, dass es noch Freudentränen werden.
Denn auf dem Grund des tiefsten Schmerzes ist die Freude.
Wie ja die Finsternis ist wie das Licht.
Und das Kreuz der Baum des Lebens.
Und der Tod das Leben – auf der anderen Seite.
Wir sind ja schon gehimmelt und wissen es nicht.
Es kommen uns aber die Zeichen wieder und wieder,
ein Lichtblitz im Traum, eine Ahnung in einer Musik, ein Gesehenes wie nie:
Einmal hat die Dichterin Oda Schäfer es gesehen, was uns noch wird:

„Der Geflügelte
Es entflog weiß
Und leichthin
Der Geflügelte
Vom Grabe
Ich sah es genau.
Am Sommertag
Zwischen den Bäumen
Flog er weit fort.
Zweimal kehrtest
Du wieder
Wieder zu mir
In dieser Gestalt
Und ich gab Dir
Die Freiheit der Lüfte
Des Himmels gestirnt
Bis ich
Mit Dir vereint
Das Sternbild werde
Das neue.“

Ist dies nicht die schönste Art zu trauern.
Unseren geliebten Menschen die Freiheit der Lüfte zu schenken in neuen Himmeln?

Es ist ja das ganze Leben ein Sog –
Wir spüren das oft so falsch, lassen uns ziehen hierhin und dorthin.
Es ist aber eigentlich der Sog in ein Wunder von Zeit, der wir gehören
Es ist aber ein Sog in die Zukunft der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes,
wo wir im Frieden sein werden, es sind – mit uns und der Geschichte,
der Geschichte dieser verheerten Welt und unsrer eigenen Geschichte.
Es ist der Sog ins Licht.

„Licht
Als bliebe es so für immer:
das Licht und wieder das Licht,
wie es leuchtet in jedem Gesicht,
leuchtet mit einem Schimmer
aus einer helleren Welt
als der uns’ren mit ihrem Dunkel:
Licht, das mit seinem Gefunkel
Die irdischen Schatten erhellt,
noch einen Abschied wie Sterben.
Es leuchtet als Überleben.
Ich seh es, sehe sein Schweben
über allen irdischen Scherben.“ (Karl Krolow)
+ Amen.