Im Mai 2012 wurde durch den Oberkirchenrat A. u. H.B. in Österreich eine Erklärung veröffentlicht, in der er die Pfarrgemeinden dazu aufforderte, in geeigneter Form aller Opfer von Krieg und Nazi-Diktatur zu gedenken.
In einem intensiven Arbeits- und Diskussions-Prozess hat daraufhin die vom Presbyterium der Lutherischen Stadtkirche eingesetzte Arbeitsgruppe Vorschläge erarbeitet, ein Mahnmal für alle Opfer des Nationalsozialismus zu gestalten. Der Gedanke der Verblendung – auch der Verantwortlichen in unserer Kirche – in der Zeit der NS-Herrschaft, war leitend für diese Arbeit.
Zum einen ist es ein großes Bedürfnis unserer Generation geworden, diese Zeit zu beleuchten. Da unsere Eltern oder Großeltern als junge Menschen in die Geschehnisse dieser Zeit involviert waren und oft über das Erlebte schweigen wollten.
Zum anderen sollte es ein mahnendes Gedenken sein und einen Beitrag für ein Zusammenleben in Frieden und Gerechtigkeit leisten, heute und für künftige Zeiten.
Die Enthüllung der Gedenktafel für alle Opfer des Nationalsozialismus am 9.11.2014 stellte aber nicht den Schlusspunkt sondern vielmehr den Impuls für die weitere Aufarbeitung der Geschichte der Lutherischen Stadtkirche dar. Wie vom Oberkirchenrat angeregt wurde das Ziel definiert, sich zum einen auf die eigene dunkle Vergangenheit zu besinnen, zum anderen aber auch zu zeigen, dass die Kirche ihrem Auftrag gemäß für Verfolgte und Benachteiligte einstehen will.

In der Sitzung der Gemeindevertretung vom 18.11.2014 gab es eine breite Zustimmung zu diesem Vorhaben und Anfang Jänner 2015 konstituierte sich aus der bisherigen Mahnmalgruppe eine weiterführende Arbeitsgruppe, die sich der Bearbeitung des Themas widmete.

Neben diversen Veranstaltungen (z.B. einer Lesung im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen 2015) und einer Gedenkfahrt in das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen war die wissenschaftliche Aufarbeitung des Zeitraumes 1938-1945 ein zentraler Punkt in diesem Projekt.

Nach umfangreichen Recherchen können wir nun sagen, dass es in der Lutherischen Stadtkirche vielfach ähnlich war wie im Großteil der evangelischen Kirche in Österreich: Auf eine Phase der Begeisterung im Jahr 1938, die mit einer überwiegend euphorischen Bejahung des Anschlusses an Hitlerdeutschland verbunden war, folgte bald die Ernüchterung über die totalitäre Politik des Nationalsozialismus.

Am 13.3.2016 konnte das in Buchform erschiene Ergebnis dieser Forschung unter dem Titel „Irrtum und Erkenntnis – die Lutherische Stadtkirche in den Jahren 1938-1945 im Spiegel der gesamtkirchlichen Entwicklung“ präsentiert und vorgestellt werden. Der Autor Georg-Hans Schmit nimmt in diesem Buch die handelnden Personen in den Blick, verliert dabei aber nicht die gesamtkirchliche Entwicklung dieser Zeit aus den Augen.

„Unsere Pfarrgemeinde hat sich auch auf einen Weg begeben, Erkenntnisse zu ziehen aus dem Irrtum, der hier in der Zeit des Nationalsozialismus geschehen ist“, sagte Pfarrerin Ines Knoll im Rahmen der Präsentation und betonte: „In Anerkenntnis der Schuld, die begangen worden ist in Gedanken, Worten und Werken, leben wir so den Wunsch, uns mahnen zu lassen für alle Zukunft“. Diese kann es nicht ohne Herkunft geben, unterstreicht Bischof Michael Bünker in seinem Vorwort. Er begrüße, dass sich einzelne Gemeinden ihrer Geschichte stellen und die Zeit des Nationalsozialismus aufarbeiten. Nicht selten sei dies mit „schmerzhaften Einsichten“ über die damals handelnden Personen verbunden.

Das Buch „Irrtum und Erkenntnis“ (ISBN: 978-3-85073-446-2) ist zum Preis von 17 Euro im Evangelischen Presseverband (T. 01 712 54 61, epv@evang.at ) oder in der Lutherischen Stadtkirche (T. 01 512 83 92, pfarramt@stadtkirche.at) erhältlich.

Weitere Informationen zum Projekt „Irrtum und Erkenntnis“ können unter geschichtsaufarbeitung@stadtkirche.at angefragt werden.